Vielleicht kennen Sie ja den Film von 1955, „Wenn der Vater mit dem Sohne“ mit Heinz Rühmann.
In der Handlung des Films geht es um seine Vaterrolle für einen sechsjährigen Ziehsohn, und wie die beiden ihre Glücksmomente dabei erleben dürfen, bevor die leibliche Mutter auftaucht und ihren verlorenen Sohn wieder zu sich aufnimmt.
Meine damals sechsjährige Tochter und ich hatten uns den Film an einem verregneten Samstagnachmittag zusammen angeschaut. Interessant, wie unterschiedlich wir emotional darauf reagierten.
Für mich war der Film melancholisch schön und ein wenig traurig. Ich sah den Vater in der Rolle des Loslassen-Müssens. Für meine Tochter endete der Film mit dem schönsten Happy End. Sie sah sich in der Rolle des Kindes. Eine Sache der Perspektive.
Ein paar Jahre später waren wir als Familie zusammen auf der Rückfahrt von einer Veranstaltung mit einem befreundeten Familienkreis, bei der wir mit tiefen Gefühlen aus Frankfurt verabschiedet wurden. Unser Umzug nach Oberhausen ins Ruhrgebiet war vorbereitet und fest geplant. Ich selbst arbeitete schon fast ein Jahr dort und pendelte am Wochenende, bis unser neu gekauftes Haus bezugsfertig war. Das war nun endlich soweit.
Was unsere Kinder bis zur Rückfahrt nicht wussten, und auch nicht unsere Freunde auf der Verabschiedung, war die Tatsache, dass mir ein paar Tage vor dieser Veranstaltung die Werksleiter-Position in Frankfurt angeboten wurde mit dem Hinweis, dass dies absolut vertraulich zu behandeln sei, bis diese Personalie in zehn Tagen, also nach der terminierten privaten Abschiedsfeier, offiziell kommuniziert werden würde.
Meine Frau und ich konnten deshalb die Veranstaltung weder absagen noch das Geheimnis lüften und wir wollten auch nicht unsere Kinder vor der Veranstaltung einweihen, um sie nicht in eine prekäre Zwickmühl-Lage bei dem Event zu bringen. Erst während der Rückfahrt wurden sie diesbezüglich auf den neuesten Stand gebracht.
Man kann sich vorstellen, was diese Nachricht für sie bedeutete. Kein Umzug, kein Verlust der Freunde vor Ort, keine neue Schulumgebung. Da brach im Auto natürlich Jubel aus.
Doch auf einmal Stille und die Frage meiner Tochter: „Was bedeutet das für dich, Papa?“. Sie hatte sich Gedanken gemacht, ob ich das der Familie zuliebe gemacht habe und das für meine berufliche Entwicklung vielleicht ein Nachteil wäre.
Ein Perspektivwechsel, und was für ein empathischer dazu.
Ich war sehr angetan, etwas gerührt und auch stolz in diesem Augenblick.
Beruflich gesehen war es tatsächlich ein „lateral Move“ aber dennoch ein Glücksfall, weil auch ich „Nachhause“ in mein ursprüngliches Heimatwerk kam und in den Folgejahren eine spannende und herausfordernde Wachstumsgeschichte dort begleiten und führen durfte. Also eine echte Win-Win-Situation.
Die gemeinsam erlebten Momente des Perspektivwechsels, ob während des Heinz-Rühmann-Films oder auf der geschilderten Autofahrt, haben wir im Nachgang immer zusammen besprochen und damit zu Familienerlebnissen gemacht, die ein Teil unsere Familiengeschichte geworden sind.
Und dies hat uns vielleicht ganz gut vorbereitet, alle zusammen, auf die unbeständige, unischere, komplexe und mehrdeutige Welt von heute (VUCA), in der das Empathische Fragen, die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und Ambiguitätstoleranz sehr gefragte Kompetenzen sind.
Und du? Wie habt ihr euch als Familie auf die Welt von morgen vorbereitet?