…. oder wie schaffe ich einen Produktivitäts-Hack?
In einem komplexen Aufgabenumfeld sind in der Regel mehr als ein Ziel zu erreichen – und zwar auf verschiedenen Zielfeldern. Aufgaben, um Ziele zu erreichen, stehen manchmal in einem Ziel-Konflikt, manchmal verstärken sie sich dadurch, dass man mit einer Aktivität gleichzeitig verschiedene Zielfelder bedienen kann.
Ein Beispiel –
In meiner Zeit als Werksleiter unterstützte der Vorstandsvorsitzende, der CEO persönlich, die Umsetzung der Firmen-weit getriebenen Six Sigma Initiative. Darunter versteht man ein Managementsystem zur Prozessverbesserung und zugleich eine Methode des Qualitätsmanagements. Ihr Kernelement ist die Beschreibung, Messung, Analyse, Verbesserung und Überwachung von Geschäftsvorgängen mit statistischen Mitteln.
Ich selbst hatte diese Methodik in meiner vorherigen Rolle als Unternehmensmoderator für unser Unternehmen angepasst und gelehrt, und dann in der Werksleiterrolle entsprechende Projektleiter, sogenannte Blackbelts, eingestellt. Jeder von ihnen wurde sechs Monate in dieser Methodik geschult und hatte dann gemeinsam mit einem Team und Projektsponsoren die Aufgabe, mit diesem Werkzeug ergebnisrelevante Verbesserungen von 1 Million USD pro Jahr zu erzielen. Die Verleihung des Zertifikates am Ende der Ausbildung war immer ein wichtiges und zelebriertes Ereignis.
Nun stand der Tag unmittelbar bevor, an dem zum ersten Mal ein Blackbelt aus unserem Werk während einer Abendveranstaltung mit großem Publikum bei der Verleihung des Zertifikats teilnahm. Die Synchronizität der Ereignisse (um nicht Zufall zu sagen) wollte es, dass am gleichen Tag der CEO unseres Unternehmens in der Nähe unseres Werkes war und neben anderen Managern auch mich zu einer Tagesveranstaltung eingeladen hatte.
Wie es sich ergab, hatte ich während einer Pause, die Möglichkeit mit ihm zu plaudern. Auf so eine Situation war ich natürlich nicht unvorbereitet und hatte meine „Elevator Speech“ parat, nach dem Motto: Präsentiere in ein bis zwei Minuten (im Prinzip der Dauer einer Fahrt im Aufzug) ein interessantes Thema mit zwei oder drei Anknüpfungspunkten, so dass das Interesse meines Gegenübers geweckt ist und sich daraus vielleicht sogar eine längere Unterhaltung ergibt.
Für mich immer ein Thema waren die anstehenden Investitionsprojekte, für die ich als Werksleiter die Zustimmung und Genehmigung des oberen Managements benötigte. Welch eine Gelegenheit, bei dem CEO persönlich dafür zu werben, geschickt entsprechendes Interesse dafür weckend.
Genau das funktionierte an diesem Tag und zwar so gut, dass mich der CEO fragte, ob ich ihn heute zum Abendessen neben anderen mit begleiten wolle, um ein paar weitere Ideen auszutauschen.
Nun mein Faux-Pas: Ich verneinte, weil ich schon am Abend zu der Six Sigma Feier-Veranstaltung zugesagt hatte und ja immerhin einer meiner Mitarbeiter ausgezeichnet werden sollte. Seine Antwort war ein zustimmendes Nicken und die Bemerkung, dass er zu dieser Veranstaltung möglicherweise etwas später dazustoßen würde.
Auf der Autofahrt zurück ins Werk rief ich sofort meinen externen Kommunikationscoach an, in der Hoffnung, ihn am Telefon auch gleich zu erreichen. Es klappte.
„Ich glaube, ich habe gerade einen großen Fehler gemacht“, schilderte ich ihm die Situation und meine spontane Absage der Abendessen-Einladung des CEOs.
„Herr Scharbert“, meinte er, „Sie haben Ihrem CEO gerade eine sehr starke Botschaft gegeben, wie wichtig Ihnen Six Sigma, seine Herzensangelegenheit, wirklich ist, weil Sie Ihre persönliche Anwesenheit während der Six Sigma Ehrung Ihres Mitarbeiters wichtiger werten als das persönliche Abendessen mit Ihrem CEO, wo Sie sicherlich nicht der einzige sein werden und vielleicht kaum zu Wort kommen. Ihre Einstellung zu Six Sigma wird Eindruck bei Ihrem CEO machen, da bin ich mir sicher.“
Während der Abendveranstaltung saß ich direkt am Tisch meines Mitarbeiters, sorgte dafür, dass ein Platz am Tisch frei blieb und ging mit ihm noch einmal ins Gespräch.
„Herr X., haben Sie Ihre Elevator Speech parat?“
„Klar, Herr Scharbert, die kennen Sie doch ganz genau.“
„Stimmt. Erzählen Sie sie mir nochmals kurz.“
Wir „übten“ also nochmals, ganz legere und ohne Druck. Und als zum Dessert plötzlich der CEO auftauchte, mich und den freien Platz an unserem Tisch wahrnahm, setzte er sich spontan zu uns. So kam es, dass mein Mitarbeiter die Gelegenheit des Gesprächs mit dem CEO nutzen konnte und ausgesprochen gut dafür vorbereitet war.
Dieser Tag war für mich zum absoluten Erlebnis geworden. Ich fühlte mich erfüllt, gelöst und glücklich. Warum?
Die Auswertung des angesprochenen Tages bediente drei Zielfelder gleichzeitig und in hoher Wechselwirkung. Ich konnte
✳ Erstens – wichtige Investitionsprojekte des Werkes kommunikativ vorbereiten,
✳ zweitens – Six Sigma als eigene hohe Wertigkeit nach innen (Mitarbeiter) und außen (CEO) authentisch vertreten und
✳ drittens – meinem Mitarbeiter eine Karrieregelegenheit vermitteln und ihn dafür auch gut vorbereiten
Ein unvergesslicher Tag.
Ein Blick auf meine persönliche Balanced Scorecard Landschaft hat mir veranschaulicht, wie vielfältig die Möglichkeiten der Doppel- und Mehrfachrollen zwischen den einzelnen Zielfeldern sind. Sie sind innerhalb eines Bereichs möglich und auch zwischen Zielfeldern aus unterschiedlichen Bereichen, echte Querbeziehungen.
Aus Spaß an der Materie hatte ich die Verknüpfungen von Zielfeldern meiner persönlichen Balanced-Scorecard-Landschaft halbquantitativ ausgewertet, und zwar mit Hilfe einer Ursache-Wirkungs-Tabelle (engl. Cause and Effect Matrix), die als Grundlage zur Aufstellung einer Ursache-Wirkung-Hypothese dient. Sie kommt aus dem Six Sigma Werkzeugkasten. Mit dieser Methode lässt sich einschätzen, welche Ursachen die größten Effekte erzielen.
Ich entwickelte aus den Erkenntnissen durch die Anwendung dieses Tools meine Highscore-Strategie für meine Aktivitäten. Und ich konnte solch Effizienz-Highscore-Tätigkeiten tatsächlich anhand meiner damit verbundenen Glücksgefühle auch erkennen.
Mein Tipp für den Produktivitäts-Hack besteht darin, eigene Verstärkungsaufgaben zu identifizieren und sich darauf zu konzentrieren. In diesen Doppel- oder Mehrfachrollen lassen sich gleichzeitig zwei (oder mehr) Fliegen mit einer Klappe schlagen. Und das führt zu einer deutlichen Verstärkung der Effizienz und oftmals sogar zu echten damit verbundenen Glücksgefühlen.
➡ Und Sie? Wo nutzen Sie Tätigkeiten in Doppelrollen zur Effizienzsteigerung?